Versuch über Kundry – Facetten einer Figur

Im Mittelpunkt meines Vortrags steht die Figur Kundrys in Richard Wagners letztem Bühnenwerk Parsifal (1882). Sie ist die einzige Frauengestalt in diesem Werk und gilt als die facettenreichste und ambivalenteste Figur in Wagners Œuvre von der Uraufführung bis heute. Dem entspricht ihre extrem variable und komplexe Rezeptionsgeschichte wie zum Beispiel ihre Interpretation als Femme fatale oder als Judenkarikatur. Mein Untersuchungsinteresse ist, diese Figur aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten und ihre Vielschichtigkeit auszuloten.

Einige zentrale Thesen möchte ich vorstellen: Erstens, dem Begriff der Figur ist eine geschichtliche Dynamik eingeschrieben. Die Figur ist insofern nicht ein Sein, sondern bildet ein Werden, daher ist ihr Komplexität zu eigen. Zweitens, die Ambivalenzen der Wagnerschen Kundry liegen darin, daß sie sich an der Schwelle von der Romantik zur Moderne, d.h. vom 19. zum 20. Jahrhundert bewegt. Die allgemeine Unsicherheit dieser Übergangszeit in sowohl konzeptioneller als auch ästhetischer Hinsicht wird in dieser Figur gespiegelt. Darauf wird anhand einiger Beispiele der Prozeß gezeigt, wie Facetten dieser Figur innerhalb einer geschichtlich wirksamen Dynamik konstituiert, zugespitzt oder auch verzerrt werden.

Meine Arbeit steht an der Schnittstelle von Theater-, Musik- und Geschichtswissenschaft. Sie möchte exemplarisch zeigen, wie klassische Werke gerade nicht als gleichsam erstarrte fortleben, sondern im Verlauf der Zeit – in wechselnden historischen Kontexten – immer wieder neu interpretiert und aktualisiert werden.

Um dem Vortrag folgen zu können, sind keine Vorkenntnisse in den genannten Disziplinen erforderlich, ebenso ist es nicht nötig, den Parsifal zu kennen.

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