Hamburger THESIS-Treffen am 26. März 2013

Liebe ThesianerInnen und Interessierte,

hier ein update für unser Treffen:

Wir treffen uns schon um 18:30 Uhr und zwar im IFSH (Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik), Beim Schlum 83.

Und es gibt einen Vortrag, dazu unten weitere Informationen.

Im Anschluss gehen wir noch ins GEO 53, Beim Schlump 53.

Wer noch dabei sein möchte, den bitte ich wegen der Tischreservierung um eine kurze Rückmeldung. Danke!

Viele Grüße
Catherine

Dr. jur. Annette Tapper hält einen sozial- und arbeitsrechtlichen Vortrag vor unserer Thesis-Gruppe

Thema:

„Abhängig beschäftigte „Aufstocker“ im Alg II-Bezug - schafft ein Mindestentgeltgesetz („Mindestlohngesetz“) Abhilfe?

Gliederung:

A. Einführung

B. Grundsicherungsrechtliche Aufstockung des Monatsarbeitsentgelts abhängig Beschäftigter

C. Arbeitsrechtlicher Hintergrund der Aufstockung

D. Gesetzliche Arbeitsentgeltuntergrenze („Mindestlohn-Gesetz“) als umstrittene Maßnahme

gegen Entgeltprekarität von Beschäftigungen

E. Weitere Lösungsansätze zur Begrenzung der Subventionierung auch indirekter Entgeltprekarität

F. Fazit

Überblicksfragen für die Diskussion:

Was ist ein Aufstocker im obigen Sinne? Ein abhängig beschäftigter Erwerbsfähiger im Alter von 15 bis max. 67 Jahren, der von seinem Monats-Brutto-Arbeitsentgelt sein bzw. das Existenzminimum der Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft (BG) nicht decken kann, teilhilfebedürftig ist, hat gem. §§ 7 ff, 11b, 19 ff SGB II - ohne Entgelt- und Wochenstundengrenzen - einen steuerfinanzierten Anspruch auf Aufstockung durch ArbeitslosengeldII (AlgII) bzw. für seine nichterwerbsfähigen BG-Mitglieder: Sozialgeld (Sozg), inkl. der Leistungen für Unterkunft und Heizung.

Warum und inwiefern ist diese grundsicherungsrechtliche Aufstockung problematisch? Ein in Vollzeit beschäftigter Aufstocker erhält offensichtlich ein zu niedriges, nicht auskömmliches, prekäres, Mindeststundenentgelt. Ein prekäres Monatsarbeitsentgelt kann sich ebenso aus atypischer Arbeit ergeben, aus Teilzeitarbeit, befristeter Arbeit (nicht nur unständige Arbeit) oder Leiharbeit oder aus einer Kombination dieser Arbeitsformen. Auch diese indirekte Entgeltprekarität wird grundsicherungsrechtlich aus Steuergeldern subventioniert. Daraus ergeben sich unter Diskriminierung von SGB II-Berechtigten z .T. unerwünschte Mitnahmeeffekte. Allein eine Aufstockung des Monatsentgelts wegen der Zusammensetzung und Größe der BG eines für sich selbst nicht bedürftigen beschäftigten Berechtigten (wegen des Partners, eigener Kinder und Kinder des Partners) ist aus dem Sozialstaatsprinzip heraus geboten.

Welcher arbeitsrechtliche Hintergrund führt zur Aufstockungsbedürftigkeit abhängig Beschäftigter? Globale und EU-rechtliche Entwicklungen einer Deregulierung des Arbeits- und Sozialrechts mit einer Förderung der kleinen, sog. Solo-Selbständigkeit, führten zu einem schwindenden Organisationsgrad der „Sozialpartner“ in Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften und zu einer Tarifflucht. Es entstand ein Niedriglohnsektor, bestimmt durch Tarifverträge mit niedrigen Mindeststundenentgelten, welche z. T. von Anfang an nichtig waren (der CGZP mangels deren Tariffähigkeit). Für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge nach dem ArbeitnehmerentsendeG und dem MindestArbG mit auskömmlichen Arbeitsentgelten gelten nicht flächendeckend für alle Branchen. Vielmehr entstand ein unübersichtlicher Flickenteppich tariflicher Regelungen mit „weißen Flecken“. Ohne Tarifverträge, auch ohne allgemein verbindlich erklärte, und ohne Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf sie gelten arbeitsvertraglich in der betroffenen Branche und/oder Region übliche z. T. niedrige Stundenentgelte, welche selbst bei Vollbeschäftigten zu einem prekären Monatsarbeitsentgelt führen. Das arbeitsrechtliche Günstigkeitsprinzip nützt dem Arbeitnehmer nur, soweit rangniedrigere günstigere Rechtsquellen, z. B. ein Arbeitsvertrag mit höhem Entgelt, für ihn existieren. Die gerichtliche Überprüfung der Sittenwidrigkeit niedriger Arbeitsentgelte (anhand der 2/3 Drittel-Untergrenze) gem. § 138 BGB ist, wegen der Üblichkeitsorientierung an Branchen und Gebieten, kompliziert, greift nur bei niedrigsten Arbeitsentgelten. Zudem werden gem. §§ 1 ff, 8 ff TzBefG, Mini-Jobs, Midi-Jobs und weitere stundenreduzierte voll sozialversicherungspflichtige nicht auskömmliche Teilzeitbeschäftigungen „gefördert“. Gleiches gilt für befristete Beschäftigungen gem. §§ 14 ff TzBefG. Ein verminderter Kündigungsschutz gem. §§ 1 ff KSchG ergänzt die Regelungen. Ebenso ist die deregulierte Leiharbeit, mit niedrigen tariflichen Mindeststundenentgelten gem. § 3a AÜG und etlichen Ausnahmen vom „equal pay“ gem. § 9, Nr. 2 AÜG für Billigtarifverträge oft entgeltprekär, ohne erhofften „Klebeeffekt“. Die Befristung von Arbeitsverträgen bewirkt bei deren Beendigung während eines laufenden Monats ebenso eine Auf-stockung, vor dem vollen SGB II-Bezug.

Welche rechtlichen Folgewirkungen hätte eine - umstrittene - einheitliche, flächendeckende gesetzliche Arbeitsentgeltuntergrenze („Mindestlohngesetz“) auf die prekäre Arbeit und deren grundsicherungs-rechtliche Subventionierung? Diese Untergrenze wäre unter Abwägung widerstreitender Interessen der Sozialpartner in einigem Abstand oberhalb des Existenzminimums gem. §§ 20, 11 b ff SGB II zu ziehen. Diese Untergrenze sollte gleichzeitig eine klare Grenze zur Gesetzwidrigkeit gem. § 134 BGB und sozialrechtlichen Unzumutbarkeit des Entgelts (als künftig benannter sonstiger Grund) gem. § 10 SGB II bilden. Jobangebote mit darunter liegenden dann eindeutig gesetzwidrigen Entgelten dürften gem. §§ 16 Abs. 1 S. 4 SGB II, 36 Abs. 1 SGB III nicht vermittelt werden. Der Leistungsberechtigte dürfte sie -sanktionslos gem. §§ 31a ff SGB II - ablehnen. Arbeitsrechtlich könnte der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber das ihm vorenthaltene Restbruttoentgelt gem. §§ 612 Abs. 2, 611, 134 BGB nachträglich, noch bis zu drei Jahren (§ 195 BGB) später, einklagen. Sozialrechtlich könnten die Jobcenter für ihre SGB II-Träger - neben weiteren Sozialleistungsträgern - den auf sie in Höhe der den Berechtigten und dessen wichtigsten Bedarfsgemeinschaftsmitgliedern erbrachten Sozialleistungen (inkl. gezahlter Sozialversicherungsbeiträge) übergegangenen Restarbeitsentgeltanspruch des Berechtigten gem. §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 115 SGB X, 34b SGB II beim Arbeitgeber einklagen. Dem Leistungsberechtigten verbleibt der über die Sozialleistungen hinausgehende Restarbeitsentgeltanspruch. Vorenthaltene Sozialversicherungsbeiträge könnten die Einzugsstellen bei den Krankenkassen noch vier Jahre lang einklagen. Bei Vorsatz des Arbeitgebers erweiterte sich die Rückwirkung auf 30 Jahre. Auch die ordnungsrechtliche und strafrechtliche Verfolgung unredlicher Arbeitgeber würde erleichtert.

Welche weiteren Maßnahmen wären zur Begrenzung weiterer prekärer Arbeit und deren grundsicherungsrechtlicher Subventionierung erforderlich? Dazu wären weitere ganzheitliche rechtsbereichsübergreifende sozialrechtliche und arbeitsrechtliche Maßnahmen erforderlich. Bildungsinvestitionen und Integrationsbemühungen für bedürftige Ältere, Jüngere und Geringqualifizierte in auskömmliche Normalarbeitsverhältnisse sollten verstärkt werden. Auch eine Entstigmatisierung von SGB II-Berechtigten, etwa durch eine sozialrechtliche Antidiskriminierungsvorschrift, wäre wünschenswert. Die bei Antragstellung vorzulegenden Arbeits- und Tarifverträge sollten vermehrt durch die Kommunen, die Arbeits- und Finanzverwaltung, die Staatsanwaltschaften rechtlich und tatsächlich vor Ort kontrolliert werden. Durch Fehlverhalten unnötig veranlasste Sozialleistungen aller Zweige sollten konsequent effektiv und effizient von den Arbeitgebern zurückgeholt (refinanziert) werden. Ordnungsrechtliche und strafrechtliche Verstöße sollten konsequenter geahndet bzw. ggfs. strafrechtlich verfolgt werden. Genauso sollten Arbeitnehmer, die bewusst kollusiv mit ihrem Arbeitgeber zum Nachteil der Sozialleistungsträger zusammenwirkten, zur Verantwortung gezogen werden.

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Liebe ThesianerInnen und Interessierte,

wir treffen uns am 26. März 2013 (Dienstag) um 19 Uhr im Abaton Bistro zu einem Erfahrungsaustausch. Bitte sagt wegen der Reservierung Bescheid, ob Ihr dabei seid.

Wir freuen uns auf Euch!

Eure Hamburger Gruppenleitung

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