Die Entwicklung des westdeutschen Parteiensystems nach dem Zweiten Weltkrieg

Ein Phoenix aus der Asche?!

Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht im Mai 1945 glich Deutschland – im wortwörtlichen wie auch im übertragenen Sinn – einem Trümmerfeld. Die Gebäudesubstanz, Infrastruktur und lebensnotwenige Versorgung lagen ebenso am Boden wie das administrative und politische Fundament, das ein Land normalerweise aufrechterhält. Deutsche Parteien gab es offiziell seit der Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten 1933 und dem parallel ausgesprochenen Parteienverbot nicht mehr, ebenso wenig wie nach der Niederlage noch ein deutscher Staat existierte. Die früheren deutschen Gebiete wurden unter den siegreichen Alliierten aufgeteilt und zu Besatzungszonen erklärt bzw. den im zweiten Weltkrieg vom deutschen Heer überrollten Nachbarstaaten zugesprochen. In den Besatzungsgebieten oblag die politische Befehlsgewalt fortan den Militärregierungen der jeweiligen Besatzungsmacht – in den westlichen Besatzungszonen Frankreichs, Großbritanniens und der USA.

Doch trotz dieses allumfassenden Kahlschlags ist die These einer „Stunde Null“ und eines völligen Neuanfangs mittlerweile überholt.
Dies zeigt sich auch bei der Neugründung und Etablierung der Parteien in den Besatzungsgebieten, insbesondere in den Westzonen und der späteren Bundesrepublik. Die Entwicklung des (west)deutschen Parteiensystems lässt sich treffend mit dem Bild des Phoenix‘ charakterisieren, der, einmal verbrannt, erneut und noch prächtiger und stärker aus der eigenen Asche aufersteht.

Die Parteien knüpften, wenn sie auch nicht immer mit denen der Weimarer Republik übereinstimmten, an politische Traditionen, Ideologien und Konfliktlinien aus der Vorkriegszeit an, wenn auch unter anderen Rahmenbedingungen. Letztere wurden über fünf Jahre durch die Besatzungspolitik der Westalliierten – speziell die Lizenzierungsbestimmungen –vorgegeben. Als sich 1949, wenige Monate nach der Gründung der Bundesrepublik, der erste Deutsche Bundestag konstituierte, war in den Zeitungen und unter Experten schnell von einem „zweiten Weimar“ die Rede; zu sehr schien das Sammelsurium von elf Parteien der Vielparteienkonstellation der ersten deutschen Republik zu ähneln. Doch Unkenrufer wie Fachleute irrten: Innerhalb von zwölf Jahren – über einen Zeitraum von nur vier Wahlen hinweg - entwickelte sich das westdeutsche Parteiensystem auf der parlamentarischen Ebene zu einem gemäßigten und anhaltend stabilen Parteiengefüge aus drei Wettbewerbern (Union, SPD und FDP), die sowohl ideologisch als auch koalitionspolitisch zur Zusammenarbeit fähig waren.

Diese Entwicklung des westdeutschen Parteiensystems – von 1945 bis zur Konstituierung des vierten Deutschen Bundestages im Jahr 1961 – zu charakterisieren, die einzelnen Phasen in den Kontext der vorhandenen Rahmenbedingungen zu stellen und den Prozess der Konsolidierung, Konzentration und ideologischen Mäßigung nicht zuletzt zu erklären, ist Gegenstand des Dissertationsprojekts. Es bewegt sich an der Schnittstelle von Politik- und Geschichtswissenschaft und will zeigen, dass eine Synthese und Symbiose beider Disziplinen - wie von einigen ihrer Vertreter angenommen – eben kein Widerspruch ist!

Raum: 5.12

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